Einsatzbereite IT im Gefecht

Defekte IT ist eine taktische Gefahr und der IT-Ausfall kann lebensbedrohlich werden. Dagegen gibt es mit technischen Standards und intelligenten Werkzeugen Abhilfe. Wie können softwareunterstütze Werkzeuge für eine höhere Einsatzbereitschaft eingesetzt werden?

1. Vernetzte Operationsführung und das Szenario „IT-Ausfall“

Seit Februar 2022 ist der Ukraine-Krieg zum Schaukasten der modernen, sich verändernden konventionellen Kriegsführung geworden, abseits nuklearer Abschreckung und dem Kampf gegen asymmetrische Bedrohungen. Die Einflüsse des Ukraine-Krieges sind vielfältig und bestätigen in Teilen die taktisch-operativen Grundsätze der NATO-Staaten im Kalten Krieg: Einem zahlenmäßig überlegenen Gegner kann nur durch höhere Effektivität der eingesetzten Führungs-, Aufklärungs-, Wirk- und Unterstützungsmittel sowie höhere Effizienz der Entscheidungsfindungsprozesse entgegengetreten werden. Zentral für diese Überlegung ist es, frühzeitig die gegnerischen Absichten durch multispektrale Aufklärung in allen Dimensionen – Land, Luft, See und Cyberraum – frühzeitig zu erkennen und entsprechend handeln zu können. Zu diesem Grundsatz gehört außerdem, dass der gewonnene Informationsvorsprung von Menschen kognitiv verarbeitet werden kann, damit militärisch Führungskräfte mittels „Lagebild in Echtzeit“ eine Informationsüberlegenheit erzeugen können. Dieser Informationsvorsprung führt zu einer Führungsüberlegenheit, wenn passende Kräfte und Mittel zur richtigen Zeit und am richtigen Ort eingesetzt werden. Als Konsequenz ergibt sich eine Wirkungsüberlegenheit durch den geschickten Einsatz hochwertiger Ressourcen. Eine Voraussetzung dieses Ansatzes bildet dabei ein kontinuierlicher und umfassender Informationsaustausch, der durch spezielle IT ermöglicht wird und dabei alle militärischen und zivilen Akteure horizontal wie vertikal über alle Führungsebenen vernetzt. Als technologisches Standbein für dieses Konzept betreiben, entwickeln und regenerieren moderne Streitkräfte verschiedenste Führungsinformationssysteme zur Steuerung der Kräftedisposition. Diese Art der Informationsverwertung führt zu sich ständig weiterentwickelnder IT mit wachsenden Anforderungen an die Komplexität, Modularität und Cybersicherheit. infodas begleitet seit mehreren Jahrzehnten die Entwicklung militärischer Informationsverbünde mit ihren Produkten und Dienstleitungen und leistet damit einem technologischen Beitrag zur Informationsüberlegenheit von Streitkräften. Für die Erzielung einer kontinuierlichen Informationsüberlegenheit ist es aber zusätzlich notwendig, sich mit den logistischen Themen Ausfallsicherheit und Systemwiederherstellung zu befassen. Daraus ergeben sich die folgenden Fragen: Was passiert, wenn Führungsinformationssysteme operationell nicht verfügbar sind, weil IT-Defekte in Gefechts- und Führungsfahrzeugen auftreten? Wie kann die ausgefallende IT wieder schnellstmöglich verfügbar werden gemacht?

Der preußische General Karl von Clausewitz hat mit dem Begriff „Kriegsnebel“ auf die Ungewissheiten auf dem Schlachtfeld hingewiesen, so dass ein Gefecht mit geringen oder falschen Informationen begrenztere Erfolgsaussichten hat. Bei einem kritischen IT-Ausfall kann also eine stark verkürzte Halbwertszeit von Informationen eintreten und durch unterbrochenen Informationsfluss kann die Informationsüberlegenheit verloren gehen. Die militärische Führung muss in diesem Fall aufgrund inkorrekter Lagebilder unzweckmäßige oder sogar gefährliche Entscheidungen treffen oder ihr bleibt die Initiative verborgen und Führende handeln nicht. Als Konsequenz daraus geht die Wirkungsüberlegenheit verloren und die Überlebensfähigkeit der eigenen Kräfte ist signifikant schlechter. Am besten verdeutlichen lässt sich dies an vier bedeutenden Fähigkeiten mobiler Land-Waffensysteme, bei denen IT-Komponenten eine Rolle spielen: „Fahren, Führen, Funken und Feuern“. Für das Fahren werden heute für die Vernetzung von verschiedenen Bordsystemen u.a. moderne Fahrzeugelektronik verwendet, die auf CAN-Bus-Systemen beruhen. Das Führen wird durch die Bereitstellung von Instrumenten, Bedienelementen und zunehmend durch bildschirmbasierte Arbeitsplätze ermöglicht. Das Funken bzw. der Informationsaustausch mit anderen Einheiten wird durch die Nutzung von zunehmend software-basierten Funkgeräten gewährleistet. Das Feuern wird heute ebenfalls zunehmend technisch unterstützt, z.B. durch leistungsfähige Feuerleitrechner, wodurch die Trefferwahrscheinlichkeit bei allen Umgebungsbedingungen signifikant erhöht wird. Tritt aber ein Defekt bei der IT in einer dieser Kernfähigkeiten auf, dann schwindet massiv der Einsatzwert eines Waffensystems oder sogar ganzer militärischer Verbände. Zusätzlich wird eine notwendige Instandhaltung bzw. Reparatur in einer Gefechtssituation massiv erschwert.

2. IT und logistische Herausforderungen

Für stets hohe Einsatzbereitschaft muss eine militärische IT stets ein Höchstmaß an operationeller Verfügbarkeit gewährleisten. Parallel dazu soll der geringste logistische Aufwand betrieben werden, um die IT einsatzbereit zu halten. Die Robustheit, Redundanz, Systemreserven, Adaptivität und Ergonomie müssen daher bereits im Anforderungsmanagement für IT-Komponenten eine herausragende Rolle spielen, begleitet von einer ausgeklügelten Logistik während des gesamten Lebenszyklus von IT-Produkten. Um die Anforderungen zur Verfügbarkeit zu erfüllen, bieten die IT-Systeme verschiedene Funktionen zur Selbst- oder Fremdüberwachung und ein Mindestmaß an Instandhaltungslogistik – wie z.B. den Tausch von Filterelementen bei aktiven Luftkühlungen. Zur Überwachung von Systemen gehören z.B. BITE (Built-in Test Equipment = eingebaute Testausrüstung) oder diverse Schnittstellen für ein zentrales Überwachen. Ersteres erfüllt grundlegende Anforderungen an die Gerätediagnose und Prüfbarkeit gemäß der Norm IEC 60706-5, zweiteres ermöglicht die Früherkennung von unnormalen bzw. kritischen Systemzuständen. Beide Überwachungsmethoden weisen beim tatsächlichen Systemausfall aber auch Schwächen auf: Eine exakte Fehlerdiagnose mit gezielter Instandsetzung kann nicht immer garantiert werden. Gerade in komplexen IT-Systemen können passive Komponenten (z.B. Netzwerkkabel und Steckkontakte) eine schwer zu identifizierende Fehlerquelle darstellen, oder andere Gerätedefekte verhindern eine Selbst- und Fremdüberwachung. Zusätzlich können Systeme mit sensitiven Informationen aus Sicherheitsgründen von einer zentralen Systemüberwachung ausgenommen sein. Dies kann dazu führen, dass bei der Fehlersuche diversifizierte Diagnosesysteme von Technik-Fachkräften genutzt werden müssen.

Die Instandhaltungslogistik versucht stets hochverfügbare IT-Geräte zu beschaffen und kosteneffiziente Instandhaltungskonzepte zu entwickeln, die jedoch eine Instandsetzung unter operationellen bzw. kriegsartigen Umgebungsbedingungen nur unter erheblichen finanziellen Aufwand beachten können. Ein seit Jahren bewährtes Modell ist das Outsourcen logistischer Elemente in die (Rüstungs-) Industrie. Jedoch ergibt sich aufgrund nationaler deutscher Gesetzgebung die Hürde, dass ziviles Industriepersonal sich aktiven Kriegsrisiken nicht aussetzen muss, wodurch eine logistische Unterstützung nahe zum Operationsgebiet nicht immer möglich ist. Das ergibt logistischen Mehraufwand beim Transport zwischen Einsatzraum und Industriestandort, aber auch vergleichsweise längere Instandsetzungszeiten. Um die beschworene Kriegstauglichkeit einer Streitkraft zu haben, bedarf es also militärischer Instandsetzungskräfte, die möglichst nahe bei den kämpfenden Verbänden eingesetzt werden können. Entsprechend der Doktrin im Kalten Krieg gab es bei NATO wie auch im Warschauer Pakt entsprechende Instandsetzungsfähigkeiten im Portfolio der Streitkräfte. In den Werkstätten wurden Soldaten eingesetzt, die für den jeweiligen Gerätetyp bzw. Fachbereich einen geeigneten Eingangsberuf vorweisen konnten. Für die IT bedeutete es, Nachrichtentechniker, Kommunikationselektroniker und die darauf nachfolgenden, modernisierten Berufsbilder in den Werkstätten einzusetzen. Um die Personalbedarfe besser decken zu können, wird als einfacher Ausweg ein breiteres Band an geeigneten Eingangsqualifikationen für den Instandsetzungsbereich zugelassen, bei denen IT bzw. Elektronik nicht unbedingt im Mittelpunkt des Berufsbilds steht. Das führt zur Herausforderung, dieses Personal zusätzlich befähigen zu müssen. Zudem konkurrieren die Streitkräfte auf dem Arbeitsmarkt mit der Industrie um IT-Spezialisten, bedingt durch den hohen Digitalisierungsbedarf unserer Gesellschaften.

Eine weitere logistische Herausforderung ist die Bevorratung bzw. Beschaffung von Ersatzteilen und daraus resultierende logistische Ketten. Wird im Einsatzgebiet ein Defekt an einer IT-Komponente festgestellt, ergeben sich verschiedene logistische Lösungen zur Abhilfe:

 

Die logistischen Lösungen werden noch um mögliche Beschaffungswege für Ersatzkomponenten ergänzt. Bei der Methode „Military off the shelf” (MOTS) wird in einer militäreigenen Lagereinrichtung die ausrüstungsspezifische Ersatzteilbevorratung und -bereitstellung sichergestellt, wobei gelagerte Produkte eindeutig militärische Verwendung bzw. Eigenschaften haben. Diametral dazu steht die Methode „Commercial off the shelf“ (COTS), bei der im freien Handel gut verfügbare Produkte bzw. Ersatzteile beschafft werden. Diese Methode wird auch mit den Begriffen „marktgängig“ bzw. „kommerziell“ verdeutlicht und kennzeichnet Produkte, die einen dualen Nutzen haben – d.h. für den zivilen als auch den militärischen Bereich.

3. Softwareunterstützte Instandsetzung

Gut gestaltete IT-Systeme sind in vielen Bereichen selbsterklärend und bieten gute Ansätze für den Analogieschluss bei der Bedienung. Werden Systeme konfiguriert und eingerichtet, wird es schon anspruchsvoller. Treten Probleme oder Defekte auf, dann müssen auch versierte Administratoren auf die Dokumentationen von IT-Systeme zugreifen und sich zeitaufwendig einlesen. Vor allem beim erstmaligen Auftreten eines bislang unbekannten Defekts bedarf es der Recherche. Bei formalen Dokumentationen kann auf technische Richtlinien, Betriebshandbücher oder den zum IT-System mitgelieferten Troubleshooting-Guide (Fehlersuchanleitungen) zurückgegriffen werden. Durch Erklärung der Funktionsweise von Systemen oder der Beschreibung von Funktionseinschränkungen bei bestimmten Fehlerbildern können Instandsetzende eine Fehleranalyse durchführen und auch sich überlagernde Fehlerbilder mit mehrfachen Fehlerursachen erkennen. Entscheidender Faktor beim Studium derartiger Dokumentationen ist es, dass die ursprünglichen Systementwickler bereits derartige Fehlerbilder definieren, z.B. indem man bei Systemtests bereits den Fehlschlag von Prüffällen im Blick hat, obwohl Prüffälle in der Regel den Fokus eher auf das erwünschte Systemverhalten setzen. Eine gute Fehlersuchanleitung berücksichtigt deshalb all die wahrscheinlichen Fälle unerwünschten Systemverhaltens. Eine exzellente Fehlersuchanleitung betrachtet auch die unwahrscheinlichen Fälle und ist erwartungsgemäß aufwändiger herzustellen. Für die Herstellung derartiger Fehlersuchanleitungen sind auf KI bzw. Algorithmen basierende Methoden ein verfolgenswerter Ansatz.

Seit einigen Jahren wird erfolgreich der Anwendungsfall der Augmented Reality (AR, erweiterte Realität) vorangetrieben, um Instandsetzende mit fehlender Erfahrung oder fehlender Qualifikation aus der Ferne anzuleiten. In den meisten westlichen Streitkräften wurden AR-Methoden bereits erprobt, auch in der Industrie existieren Anwender. Durch spezielle AR-Brillen können dem Instandsetzungspersonal wichtige Informationen oder Handlungsanweisung im Sichtfeld präsentiert werden, so dass die Hürden einer rein fernmündlichen Handlungsanleitung überwunden werden. In der Regel leitet erfahrenes Personal unerfahrenere Mitarbeitende an. Mit weiteren technologischen Fortschritten im Feld können IT-Systeme den Menschen bei der Reparatur von IT-Systemen unterstützen. Die Software, die den Menschen dabei beratend zur Seite steht, muss noch weitere Reifegrade erreichen. Fakt ist jedenfalls, dass AR auf eine Peripherie angewiesen ist, um passend unterstützen zu können. Hierzu gehören in der Regel Bild- und Tonübertragung sowie Software-Werkzeuge, um die Perspektive des Instandsetzenden anzureichern. Das bedeutet wiederum, dass am Ort der Instandsetzung eine passende Netzanbindung vorhanden sein muss. Ein erheblicher Vorteil bei der AR-Methode ist, dass sich Unterstützungspersonal in einem sicheren Bereich befinden kann, während militärische Instandsetzende sich im gefährlicheren Einsatzraum befinden. Gleichzeitig kann, wie im nachfolgenden Fall, auf eine Spezialausbildung beim Instandsetzenden verzichtet werden. Stattdessen werden persönliche, erfahrungsbasierte Skills gefördert, die bei jedem neuen Unterstützungsfall mitwachsen.

Ebenfalls etabliert sind spezielle Wartungssoftware für komplexe IT-Systeme oder eine gerätespezifische Diagnose-Firmware für IT-Komponenten. Seit mehreren Jahrzehnten existiert z.B. im mechatronischen Einsatzgebiet die OnBoard-Diagnose für Kraftfahrzeuge, die von der rein elektrischen Überwachung von Motorsteuerungen dazu übergegangen ist, auch IT-basierte Komponenten zu analysieren. So ist es nicht verwunderlich, dass das Berufsbild des Mechatronikers auch in der Lage ist, Probleme in der Fahrzeug-IT zu beheben. So können Diagnosegeräte über Fahrzeugschnittstellen nicht nur Fehlercodes auslesen, sondern geben auch präzise Handlungsanweisungen zur Fehlereingrenzung und Fehlerbehebung. Durch die Digitalisierung in Fahrzeugen ist es möglich, dass Diagnosestationen mittlerweile PC-basiert oder sogar im Smartphone-Format betrieben werden können. Im Vergleich zum AR-Anwendungsfall hat die Wartungssoftware den Vorteil, dass nicht zwingend eine Kommunikationsverbindung zum Servicepersonal notwendig ist. Somit bietet eine Wartungssoftware einen Vorteil für die Instandsetzung im Einsatzraum, z.B. am provisorischen Versorgungspunkt. Voraussetzung ist, dass Instandsetzungspersonal derart ausgerüstet ist, dass ihre Prüfausstattung nie an Schadensereignissen beteiligt war. Folglich werden ein Prüflaptop, Prüf- und Adapterkabel sowie zahlreiche kleine Hilfsmittel erforderlich. Die Bundeswehr hat als Anwendungsfall für Wartungssoftware seit zwei Jahrzehnten die Software „Offline-Systemprüfung“ (OSP), welche die infodas im Rahmen der Softwarepflege begleiten durfte. OSP ist für die Instandsetzung beim Führungsinformationssystem Heer (FISH) entwickelt worden und verfügt über einen sich stetig weiterentwickelnden Satz an Prüf- und Prüfhilfsmitteln mit Computerunterstützung. Am Beispiel OSP wird deutlich, dass eine Software für eine breite Systemlandschaft verwendbar ist und die vorhandenen Systemvarianten berücksichtigen kann. Je nach FISH-Variante im zu prüfenden Landfahrzeug verfügt die Wartungssoftware für die fahrzeugspezifische IT-Ausrüstung über geeignete, gerätespezifische Prüffälle. OSP befähigt somit die Instandsetzungskräfte der Bundeswehr und hat sich den veränderten Systemkonfigurationen angepasst. Im Zeitalter der Umstellung auf moderne Führungsmittel des D-LBO-Programms (Digitalisierung Landbasierte Operationen), stellt OSP mit seiner Abwärtskompatibilität auch eine wertvolle Software zum Erhalt der Einsatzfähigkeit von Legacy-Systemen dar. Unter Legacy-Systemen dürfen dabei IT-Systeme verstanden werden, deren Nutzungszyklus sich dem Ende zuneigt, die aber aus Kompatibilitätsgründen nach wie vor verbaut werden. Am Beispiel OSP hat sich auch gezeigt, dass eine Wartungssoftware bereits für die Rüstungsindustrie einen Mehrwert bereitstellt, da sie Abnahmeprüfungen im Rahmen der Qualitätssicherung unterstützen kann. Eine derartige Software kann für IT-Komponenten und IT-Architekturen schon vor der Systemintegration Prüffälle bereitstellen, die aus Anforderungsdokumenten abgeleitet werden. Im Ergebnis kann Wartungssoftware durch geeignete Pflegemaßnahmen auf die schnellen Entwicklungszyklen bei IT reagieren, wenn in einem gelungenen Anforderungsmanagement die künftigen Abnahmekriterien und Prüffälle definiert werden. Zudem kann eine Wartungssoftware auch mit Vorbereitungsmaßnahmen für Prüfarbeiten bei sicherheitssensitiven IT-Systemen eingesetzt werden.

4. Eine Vision für einsatzbereite IT

Welche Rolle eine einsatzfähige IT bei Landsystemen erforderlich macht, wurde bereits auf der NATO-Ebene erkannt. So wurde im Jahr 2018 ein militärischer NATO-Standard veröffentlicht. Durch die Entwicklung der NATO Generic Vehicle Architecture (NGVA) bzw. der NATO-Norm STANAG 4754 werden u.a. fortschrittliche und einheitliche Standards für die Vernetzung von verschiedenen (Bord-) IT-Systemen in Landsystemen festgelegt. Die NGVA-Norm soll auf allen zukünftigen Landfahrzeugplattformen und Fahrzeugplattform-Teilsysteme sowie bei laufenden Programmen zur Überholung und Aufrüstung von Fahrzeugplattformen angewendet werden. Bei NGVA werden für die Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen oder Komponenten das einheitliche Protokoll DDS (Data Distribution Service) und ein NGVA-DDS-Datenbus eingesetzt, um eine effiziente und zuverlässige Übertragung von Informationen in Echtzeit zu ermöglichen. Damit ist Anschlussfähigkeit an die aktuelle Entwicklung bei der Vernetzung in der Automobilbranche gewährleistet, die bisherige CAN-Bus-Systeme in moderne Ethernet-Netzwerke wandelt. Durch das Verpacken von CAN-Bus-Informationen in Ethernet-tauglichen Datenpaketen wird auch eine Abwärtskompatibilität gewährleistet. Außerdem wird dadurch eine bessere Skalierbarkeit und Interoperabilität ermöglicht. Mit der Umstellung von Datenformaten ergeben sich für Wartungssoftware weitere und verbesserte Anwendungsmöglichkeiten in NGVA-konformen Umgebungen. Auch für Rüstungskooperationen ist eine derartige Standardisierung von Vorteil: Der Entwicklungsaufwand für Schnittstellen, Datenformate und ganze IT-Architekturen wird reduziert, durch die Harmonisierung werden Einsparpotentiale und Skalierbarkeit möglich. Für die Instandsetzung bietet NGVA auch den Vorteil, dass die Interoperabilität von Wartungssoftware und IT-Überwachungswerkzeugen gefördert wird. Dies hat im Einsatzfall den Vorteil bei der Durchführung von multinationalen und dimensionsübergreifenden Operationen.

Einen weiteren Ansatz für die IT-Systemüberwachung liefert die Luftfahrtindustrie: Im Avionik-Bereich werden flugsicherheitsrelevante Systeme diagnostisch sogar so weit entwickelt, dass eine dauerhafte Überwachung möglich ist und bei IT-Ausfall ggf. eine Redundanz übernimmt und Piloten mittels Warnmeldungen über ausgefallene Systeme informiert werden. Derartige Systeme geben den Luftfahrzeugführern auch Handlungsvorschläge, um kritische Systemzustände abzumildern. Als Beispiel hierfür dienen die Systeme ECAM (Fa. Airbus) bzw. EICAS (Fa. Boeing), die in kommerziellen Flugzeugen zum Einsatz gelangen und zahlreiche IT-unterstützte Sensoren und Aktoren überwachen.

Welche Schritte sind also für Instandsetzung wichtig, damit die anfangs geschilderte Einsatzbereitschaft von IT erhalten bleibt? Aus der bisherigen Praxis lassen sich folgende bewährte Ansätze ableiten:

  • Die Softwareunterstützung muss möglichst alle relevanten IT-Infrastrukturen mit Ihrer Konfigurationshistorie und einer Vielzahl an Prüfroutinen von verbauten IT-Komponenten kennen.
  • Bei der Planung von IT-Architekturen werden robuste bzw. wartungsfreundliche Geräte bevorzugt.
  • IT-Gerätehersteller ermitteln diverse Richtzeiten für ihre Produkte (Zeit bis zum Ausfall, Zeitbedarf für Instandsetzung, Zeit zum Wiederanlauf nach Ausfall, etc.) und stellen somit logistische Datengrundlagen für die Instandsetzungsplanung (Fristen, Instandsetzungstiefe, Transport- und Lagerkapazitäten) bereit.
  • IT-Gerätehersteller müssen Schnittstellen bzw. kommunikationsfähige BITE für Wartungssoftware integrieren
  • IT-Geräte bieten hochwertiges BITE an, welches den Gerätestatus nicht nur per LED (rot, grün, Blinkcodes) kommuniziert, sondern kompakte Displays nutzt. Fehlerereignisse werden nicht als kryptischer Code, sondern in natürlicher Sprache auf separaten Displays oder in der Wartungssoftware ausgegeben.
  • Status-LEDs zeigen bereits im ausgeschalteten Gerätezustand an, ob das Gerät zumindest über Betriebsspannung verfügt.

Berücksichtigt man aktuelle Entwicklungen im IT-Bereich, kommen weitere Ansätze hinzu, welche die Einsatzbereitschaft steigern können:

  • IT-Gerätehersteller unterstützen ein Ethernet-basiertes Monitoring für „Health“ (Systemgesundheit) und „Security“ (IT-Sicherheitsüberwachung), z.B. mittels NGVA HUMS (Health and Usage Monitoring System). Dabei sind die Wechselwirkungen und Synergien zwischen Sicherheits- und Einsatzfähigkeitsüberwachung zu berücksichtigen.
  • Standardisierte BITE-Schnittstellen sparen Integrationsaufwand und erhöhen die Flexibilität beim Einbau von Geräten, die bislang nicht in der IT-Architektur vorhanden waren.
  • Die Handlungs-Leitfäden aus NGVA werden bei der Planung und Integration neuer IT-Architekturen berücksichtigt. Die Anforderung zur NGVA-Tauglichkeit wird standardmäßig in landsystembasierten IT-Projekten zum Bestandteil von Ausschreibungen.
  • KI-Modelle werden eingesetzt, um aus Anforderungs- und Prüffallsammlungen neue Prüfroutinen zu schreiben – auch für neugestaltete Systemintegrationen.
  • Mit KI-basierten Methoden lernt die Wartungssoftware bei Instandsetzungsarbeiten mit. Experten verifizieren die KI-Handlungsvorschläge.
  • Die Wartungssoftware kann mit KI-Methoden die Fehlerdiagnose beschleunigen. Die KI gibt dabei dem Instandsetzungspersonal Handlungsempfehlungen zur Fehlereingrenzung.
  • Die Wartungssoftware unterstützt AR-Methoden und kann selbst bei unterbrochener Verbindung zum Service-Personal Empfehlungen für manuelle Instandsetzungshandlungen geben.
  • Durch eine Standardisierung von physikalischen Schnittstellen reduziert sich der Aufwand für Prüfhilfsmittel-Ausstattungen.
  • Die Wartungssoftware kann per PxE-Boot IT-Geräte aus der Ferne für einen Testbetrieb starten. Durch Standardisierung bei eingesetzten IT-Komponenten kann ein Test-Betriebssystem die Diagnose querschnittlicher IT beschleunigen.
  • Wartungssoftware ist auf Bord-IT verfügbar und wird zum Bestandteil einer stetigen Systemüberwachung. Sie gehört als NGVA-Applikation bzw. Service-Software zur Fahrzeugausrüstung.
  • Im Schadensfall gibt die Wartungssoftware Handlungsanweisungen zur provisorischen Wiederherstellung von Fähigkeiten (Fahren, Feuern, Funken, Führen) mit Bordmitteln und erhöht damit die Überlebensfähigkeit des eingesetzten Personals und Wehrmaterials.

In Summe bieten die Ansätze eine Schonung der knappen Ressourcen bei der Instandsetzung und einen effektiven Einsatz des Instandsetzungspersonals. Es sind auch externe Testsysteme denkbar, die ein Testen der fahrzeuginternen Kabelinfrastrukturen ermöglichen, selbst wenn einzurüstende IT-Komponenten nicht verfügbar sind. Dadurch können passive Komponenten bei der Fehlerdiagnose bzw. Fahrzeugabnahme berücksichtigt werden, was nicht nur für die Instandsetzung im Felde interessant ist, sondern auch bei der Fertigungsabnahme von neuer Rüstungstechnik. Die Übertragbarkeit von Industrie-Prüfzyklen stellt wiederum einen Vorteil für die Werksinstandsetzung bei bundeseigenen Dienstleistern und Werkstätten dar.

5. Fazit

In veränderten Zeiten von Landes- und Bündnisverteidigung muss das Thema Instandsetzung nach Jahren des Outsourcens, der Reduktion von Instandsetzungskapazitäten und des Vertrauens auf jederzeit verfügbare Lieferketten neu gedacht werden. Dabei müssen die alten Muster des Kalten Kriegs in die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit transformiert werden. Komplexe IT-Komponenten müssen den unspezialisierten Anwender mit ergonomischer Mensch-Maschine-Schnittstelle abholen und sollten dem Instandsetzungspersonal kein Kopfzerbrechen bereiten. Das Thema Instandhaltung sollte auch nicht allein bei den Logistikern verbleiben, sondern muss in der Gedankenwelt der IT-Entwicklung und Systemintegration wieder präsenter werden.

Über die Autor:innen
Matti Friedrich

IT-Consultant, INFODAS GmbH